Was Ankerzellen NICHT sind... und was sie sein können.

Eigentlich ist klar: Ankerzellen können nicht jede Art von Bedürfnis erfüllen. Sie sind auch nicht das "einzig richtige Format" für geistliche Defizite. 35 Minuten sind schlichtweg zu kurz, um allen Aspekten eines christlichen Lebens Raum zu geben.

Und doch schimmern in Ankertreffen an der ein oder anderen Stelle weitergehende Erwartungen durch. Manchmal werden diese Wünsche offen geäußert. Manchmal spürt man nur eine stille Frustration.

Umso wichtiger ist es, sich deutlich zu machen, was Ankertreffen in ihrer Kompaktheit NICHT leisten können. Vor diesem Hintergrund wird dann auch verständlicher werden, wozu Ankerzellen da sind.

Was Ankerzellen nicht sind.


Was Ankerzellen NICHT sind:

1) Keine Bibelstudium- und Diskussionsgruppe
Die Urdokumente des christlichen Glaubens sind wichtig. In jedem Ankertreffen wird gemeinsam ein Abschnitt aus der Bibel gelesen. Es ist aber kein Raum für eine kritische Diskussion. Wer den Text exegetisch sezieren oder mit anderen darüber anspruchsvoll reflektieren möchte, müsste diesem Bedürfnis an anderer Stelle nachgehen.

2) Keine Seelsorge- und Lebenshilfegruppe
Jede:r von uns hat irgendwo in seinem Leben "Baustellen". Diese stehen in Ankertreffen aber nicht im Zentrum. Es ist durchaus möglich, dass dafür gebetet wird. Wer darüber hinaus Bedarf nach persönlicher Seelsorge oder psychotherapeutischer Beratung hat, sollte Kontakt zu den jeweiligen Fachleuten aufnehmen.

Diese ersten beiden Punkte sind typische Missverständnisse, wenn Interessierte neu an Ankertreffen teilnehmen. Die nächsten vier Erwartungen können sich im Laufe der Zeit herausbilden:

3) Kein reiner Anbetungs- und Fürbittekreis
In jedem Ankertreffen wird gebetet. Der Schwerpunkt liegt auf "Beten entlang des Textes". Dadurch werden geistliche Wahrheiten in unserem Herzen verankert und die Beziehung zum lebendigen Jesus vertieft. Während der Treffen ist jedoch nicht der Raum für lange emotionale Worship-Zeiten. Auch Fürbitte-Anliegen werden nur kurz und kompakt aufgegriffen.

4) Kein Coaching- oder Fortbildungstreffen
In Ankerzellen begegnen sich Menschen aus verschiedenen Berufsgruppen. Der Anteil von theologischen Fachleuten ist erstaunlich hoch. Während eines Ankertreffens wird die fachliche Expertise jedoch hinten angestellt. Beim Lesen des Bibeltextes spielt das "theologische Mehrwissen" keine Rolle.

Der fünfte Punkt ist schwer zu beschreiben und mag auf den ersten Blick sehr irritierend wirken. Er tritt erst dann auf, wenn sich eine Ankerzelle gut entwickelt und die Teilnehmenden immer mehr miteinander vertraut werden.

5) Keine exremvertrauliche Freundschaftsclique
Keine Frage: Damit man sich voreinander öffnet, braucht es eine gewisse Vertrautheit. Häufig erwächst daraus das Bedürfnis, mehr voneinander zu wissen und immer persönlicher werden zu wollen. Durch diese Beziehungsdynamik kann jedoch aus einer offenen Gruppe eine geschlossene Clique werden. Ankerzellen dagegen sind radikal offen. Die 12-Schritte-Prozessdynamik lässt sich jederzeit mit "wildfremden" Menschen durchführen. Gerade das ist spannend.

Der letzte Punkt wird von Personen geäußert, die nach der Wirkung von Ankerzellen fragen. Sie wünschen sich mehr Output.

6) Kein Aktions- oder Einsatzteam
Ankerzellen haben keine Agenda, die außerhalb ihrer selbst liegt. Sie sind in diesem Sinne kein Team, das eine für alle gemeinsame Aufgabe über das Treffen hinaus verfolgt. Vielmehr befinden sich alle Teilnehmenden nach wie vor in ihrem eigenen Leben mit ihren jeweils eigenen familiären und beruflichen Herausforderungen. Ankertreffen helfen dabei, zunächst einmal spirituelle Energie für das eigene Leben zu empfangen. Als Gesegnete können Ankernde dann diesen Segen in ihrem Umfeld weitergeben.

Um nicht missverstanden zu werden: Selbstverständlich braucht es (1) vertiefendes Bibelstudium, (2) Seelsorge und Fachberatung, (3) längere Gebetszeiten, (4) christliche Fortbildung, (5) enge freundschaftliche Beziehungen und (6) soziale Aktionsteams. Aus der Sicht von Ankerzellen sind diese Bereiche jedoch nicht die Kerndynamik und das Energiezentrum des geistlichen Lebens, sondern "nur" eine wertvolle Ergänzung.


Wozu Ankerzellen da sind:

  • Ankerzellen sind Gruppen von Gleichgesinnten, die miteinander die elementar-geistlichen Kerndynamiken einüben: (1) Sich als "Christus-mitten-unter-uns"-WIR zu versammeln, (2) hörend und empfangend die biblischen Texte zu lesen und (3) anhand von geistlichen Wahrheiten betend die Beziehung zum Auferstandenen zu vertiefen.
  • Ankerzellen sind radikal offen für Menschen "aus allen Himmelsrichtungen". Der konfessionelle Hintergrund, die Weltanschauung oder die ethische Einstellung sind zweitrangig. Jede:r, die/der sich auf die Prozessdynamik einlassen möchte, ist willkommen. In all dem vertrauen wir der katalytischen Kraft des Wortes Gottes und dem geheimnisvollen Wirken des Geistes, durch die christusgemäße Veränderungsprozesse ausgelöst werden.
  • In Ankertreffen wird ein Resonanzraum des Geistes eröffnet. Wir begegnen uns zwar als Menschen, füllen "die Mitte" aber nicht mit unseren Erwartungen, Wünschen oder Problemen. Auch der Bibelabschnitt steht nicht als reiner Text im Zentrum. Stattdessen öffnen wir unseren Geist (unser Bewusstsein) in Richtung Christus. Wir sitzen "IHM zu Füßen". Dabei geschieht das Wundersame, dass sich die Buchstaben in ein vom Geist Gottes zugeteiltes Brot für den inneren Menschen verwandeln.
  • In Ankertreffen kommt der Bibeltext durch die biografisch gefärbten Perspektiven der anderen zum Leuchten. Dadurch wird deine eigene Wahrnehmung als die "einzig wahre" relativiert und dein Horizont in Bezug auf die Schönheit des biblischen Wortes erweitert. Deswegen könnte man diese Prozessdynamik auch als wirksame Fundamentalismus-Prophylaxe bezeichnen.
  • Letztendlich ist ein Ankertreffen eine mit einer Referenzgruppe gemeinsam durchgeführte Übung. Anhand von Bibeltexten nehmen die Teilnehmenden immer neu eine Jesus-Perspektive für sich und für ihre Umwelt ein. Ankerzellen sind ein Ort, an dem du lernst, eigenverantwortlich aus dem Wort Gottes inmitten deines täglichen Lebens Energie zu empfangen.

All das ersetzt natürlich nicht deine "persönliche Zeit mit Gott". Jede:r braucht Zeit ganz für sich allein und in der Stille. Ankertreffen können jedoch als Katalysator dienen und ein Anreiz dafür sein, selbst intensiver Gottes Gegenwart zu suchen, in seinem Wort zu lesen und Zeit mit ihm zu verbringen.

In diesem Sinne sind Ankertreffen, sowohl eine Verankerung in gesellschaftlich stürmischen Zeiten, als auch eine Erinnerung daran, dass wir in Christus einen Anker haben, der bis weit "hinter den Vorhang" dieser sichtbaren Welt reicht.

"... festzuhalten an der angebotenen Hoffnung. Diese haben wir als einen sicheren und festen Anker unsrer Seele, der hineinreicht in das Innere hinter dem Vorhang. Dahinein ist Jesus als Vorläufer für uns gegangen..." (Hebr.6,18-20)

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